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Superfoods: Der Hype um gesunde Nahrung
Superfoods versprechen Fitness, Schlankheit und gute Stimmung. Sogar Krankheiten sollen sie heilen. Verkauft werden sie tonnenweise. Zu den teuren Exoten gibt es gute Alternativen aus der Schweiz.


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Die Verkaufszahlen belegen es: Superfoods erleben einen Riesenboom. Laut Marktforschung in Deutschland soll zum Beispiel der Verkauf von Chiasamen von 20 Kilogramm im Jahr 2013 auf 664 Tonnen im Jahr 2015 explodiert sein. Zum Absatz in der Schweiz wollten die von uns angefragten Grossverteiler keine Angaben machen. Doch der Blick in die Regale von Reformhäusern und Supermärkten lässt vermuten, dass Chiasamen und andere Superfoods auch bei uns einen Wachstumsmarkt darstellen.

Und das ist bemerkenswert, denn Chiasamen wurden in Europa bis vor wenigen Jahren ausschliesslich als Tierfutter verwendet. Erst 2009 genehmigte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Chia als Zutat in Lebensmitteln, der Import der reinen Samen ist sogar erst seit 2013 erlaubt. Und nach dem aktuellen Schweizer Lebensmittelrecht dürfen bei uns sämtliche neuartigen Lebensmittel, die in der EU bewilligt sind, ohne weitere Bewilligung in Verkehr gebracht werden.

Vor allem Menschen unter 40 Jahren kaufen Beeren, Körner und andere Produkte wie Chiasamen, Açaíbeeren, Gojibeeren, Moringa oder Quinoa massenhaft ein. Sie versprechen sich durch den Verzehr dieser Kraftnahrungsmittel eine Stärkung des Immunsystems, längere Fitness, eine schlanke Linie und gute Stimmung.

Superfoods findet man heute überall, nicht nur im Reformhaus. Längst sind die Grossverteiler auf den Trend aufgesprungen und stellen den modernen Superfoods immer mehr Verkaufsfläche zur Verfügung. Selbst McDonald’s klemmt seit Kurzem Quinoa-Curry zwischen die Burgerbrötchen. Doch diese rasante Entwicklung hat auch eine Schattenseite.

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Die ökologische Falle

Die meisten Superfoods kommen von weit her. Quinoa stammt zum Beispiel aus Zentralamerika. In Bolivien hat die weltweit steigende Nachfrage einen wahren Goldrausch ausgelöst. «Die Anbaufläche wuchs innerhalb von drei Jahren auf fast das Dreifache, die Bauern bewirtschaften die Felder intensiver. Und das ist heikel», sagt Sabin Bieri, stellvertretende Direktorin des Interdisziplinären Zentrums für nachhaltige Entwicklung und Umwelt (CDE) der Universität Bern. Kurzfristig habe dies den Bauern zwar höhere Erträge eingebracht, aber die langfristigen Risiken wurden in Bolivien unterschätzt. Denn die Böden sind fragil. «Durch die Beschleunigung der Produktionszyklen werden die notwendigen Brachphasen verkürzt, die Böden werden stärker beansprucht, verarmen und die Winderosion nimmt zu. Mittelfristig sinken Produktion und Ertrag», erklärt Sabin Bieri.

Und tatsächlich: Der Höhenflug der Quinoa scheint bereits vorbei zu sein. «Der Preis pendelt sich im unteren Drittel der Boomjahre ein, was sofort eine Strategieänderung der Anbaupraktiken nach sich zieht», sagt Sabin Bieri. Sie erwartet, dass insbesondere jene Produzenten, die aufs schnelle Geld aus waren, wieder verschwinden werden. Von dieser negativen Entwicklung ausgenommen sind allerdings die Biobauern. Sabin Bieri legt Wert auf diese Feststellung. «Der Konsum von biologisch angebauter Quinoa war und ist nie ein Problem. Dort wird natürlicher Dünger verwendet, und deshalb ist eine massive Intensivierung gar nicht möglich.»

Der Superfood-Boom als Chance für Schweizer Bauern

Motiviert durch die wachsende Nachfrage und die hohen Preise haben innovative Schweizer Landwirte begonnen, exotische Früchte und Gemüse auf ihren Feldern anzubauen. Das hat Vorteile: Die Früchte kommen frisch auf den Markt, sie müssen nicht um die halbe Welt transportiert werden und die meisten Bauern arbeiten nach hiesigen Biorichtlinien. So werden im Schweizer Mittelland seit ein paar Jahren nebst Sanddorn exotische Produkte wie Aroniaund Gojibeeren oder Quinoa angebaut.

Einfach ist dieser Anbau nicht und die Investitionen sind hoch. Die meisten Pflanzen müssen klimatisch angepasst werden und es existieren weder Mittel noch Erfahrungen in der Bekämpfung von Unkraut und Schädlingen. Erst nach Jahren kann die erste Ernte eingefahren werden. Doch der Aufwand scheint sich zu lohnen, die Bauern stossen in neue Konsumnischen vor. Praktisch alle Grossverteiler nehmen die exotischen Produkte aus einheimischer Produktion in ihr Sortiment auf. Und noch lassen sich gute Preise damit erzielen. So hoch, dass Konsumentenschützer aktiv geworden sind.

superwomanIst Superfood nur Geldmacherei?

Die Frage ist berechtigt: Sind die neuen Supernahrungsmittel ihren Preis wert? «Superfood ist vor allem ein guter Marketingbegriff», sagt Stéphanie Bieler, Ernährungsberaterin und Leiterin des Informationsdienstes Nutrinfo bei der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE. «Superfoods zeichnen sich durch einen tendenziell ausserordentlichen Gehalt an einem oder mehreren Nährstoffen aus. Das macht diese Lebensmittel interessant, mehr aber auch nicht.» Denn falsch ernährt haben wir uns laut Stéphanie Bieler bisher ja auch nicht: «Eine ausgewogene Ernährung gemäss Schweizer Lebensmittelpyramide – mit Bevorzugung regionaler und nach Möglichkeit saisonaler Lebensmittel – vermag den Körper gut mit ausreichend Nährstoffen zu versorgen.» Und was wohl nur die wenigsten wissen: Es gibt zahlreiche Alternativen zu den Superfoods, direkt vor unserer Haustür.

Stéphanie Bieler hat die teuren Exoten mit einheimischen Früchten und Gemüsen verglichen. Ihr Fazit ist überraschend. «Chiasamen sind zum Beispiel interessant aufgrund ihres Gehalts an Nahrungsfasern, Protein und der Fettsäurenverteilung», erklärt sie. «Leinsamen stehen Chiasamen aber in nichts nach. Sie sind einfach bedeutend günstiger.» Das ist auch bei weiteren beliebten exotischen Produkten nicht anders. So fallen getrocknete Gojibeeren zwar durch ihren Gehalt an Betacarotin und Vitamin C auf, doch liefern getrocknete Aprikosen und frischer Spinat doppelt so viel Betacarotin. Auch die Açaíbeere wird aufgrund ihres Gehaltes an Flavonoiden, Polyphenolen und Anthocyanen gelobt. Dennoch hat die Açaíbeere keine überdurchschnittlichen antioxidativen Fähigkeiten. Die Mengen stechen gegenüber anderen (heimischen) Früchten nicht hervor. Anthocyane sind auch in Heidelbeeren, Schwarzem Holunder, Cassis oder Brombeeren zu finden.

Sogar die hochgelobte Wirkung von Quinoa muss relativiert werden. «Quinoa ist glutenfrei», sagt Stéphanie Bieler, «das Gleiche gilt aber auch für Hirse, Buchweizen, Kartoffeln, Reis, Polenta und bedingt für Hafer.» Die guten alten Haferflocken weisen zudem genau so viel Protein auf wie Quinoa. Trendige Superfoods sind also nicht besser als einheimische Produkte, aber wegen der derzeit grossen Nachfrage zum Teil deutlich teurer.

Vorsicht mit der Heilwirkung

Superfoods wird nicht selten eine vorbeugende oder sogar heilende Wirkung nachgesagt. Doch dafür fehlen wissenschaftlich fundierte und belegte Studien. «Was gelegentlich stimmt, ist der angepriesene Gehalt an einzelnen Nährstoffen», sagt Stéphanie Bieler, «wobei der hohe Gehalt noch nichts über einen allfälligen Bedarf oder die Wirksamkeit aussagt.» Gojibeeren sollen zum Beispiel aufgrund ihrer Inhaltsstoffe gut für die Augen sein und zu einem langen Leben verhelfen. Bislang konnten diese Eigenschaften wissenschaftlich nicht belastbar belegt werden. Laut Stéphanie Bieler beruhen allfällige Studien in der Regel auf Untersuchungen im Labor oder Versuchen bei Tieren. «Ob diese Stoffe bei Menschen die gleiche Wirkung haben, ist weitgehend unerforscht», mahnt sie, «bei Heilversprechen muss man immer vorsichtig sein.» In Deutschland warnt die EFSA sogar vor zu hohem Konsum von Chiasamen, da es noch keine Studien darüber gibt, wie der Körper auf höhere Dosen reagiert.

Die Revolution der Foodwelt

Einige Fachleute prognostizieren Superfoods ein nachhaltiges Wachstum. Andere sprechen von einer Modeerscheinung. Dass sich Menschen in Wohlstandsgesellschaften seit Jahrzehnten um die Wirkung von Essen auf die Gesundheit kümmern, ist allerdings eine Tatsache. Übergewichtige versuchten es früher mit Trennkost, Breitensportler assen jahrelang fast nur noch Kohlenhydrate. Heute werden diese verteufelt und die Konsumenten kaufen teure Superfoods.

Und die Entwicklung geht weiter, wie im neusten European Food Trends Report des Gottlieb Duttweiler Instituts GDI zu lesen ist. Zwei Trends stechen hier heraus: Essen ist Gesundheit und Essen ist Hightech. Und Hightech bezieht sich laut Studie auch auf die Produkte selbst. «Konsumenten bedienen sich nicht nur an alternativen Proteinquellen aus Soja, Nüssen oder sogar Insekten, sondern sie greifen zunehmend auf Burger-Imitate aus Pflanzenfasern zurück», kann man dort lesen. Der Report blickt auch in die Zukunft: «Vielleicht werden wir in zehn Jahren selbstverständlich Steaks aus dem Reagenzglas in die Pfanne hauen oder die Pizza 3D-drucken lassen.»

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Ein Artikel von Peter Keller

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