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Hündscher, Mörchel, Himbertscha: Die Suche nach der ältesten Rebsorte
Seit 7000 Jahren haben Menschen aus wilden Reben etwa 10’000 Rebsorten gezüchtet. Heute werden weltweit noch 2500 Sorten für die Weinproduktion benutzt. In der Schweiz dürften es weniger als 200 sein. Viele historische Rebsorten sind demnach verschwunden, andere aber haben bis heute überlebt. Wir haben die älteste Sorte gesucht – und gefunden.


Hündscher, Mörchel, Himbertscha: Die Suche nach der ältesten Rebsorte

Die Suche beginnt im Kanton Aargau, nahe der Grenze zu Deutschland, in Würenlingen. Hier begann Albert Meier 1921 auf privater Basis Reben zu veredeln. Daraus entwickelte er die Rebschule Meier, die von seinen Nachkommen zu einem Unternehmen von nationaler Bedeutung ausgebaut wurde. Heute leitet Andreas Meier den Betrieb.

Andreas Meier ist ein profunder Kenner der Geschichte der Reben. «Heute werden in der Schweiz nicht mehr viele historische Rebsorten gesetzt», beklagt er sich. «Seltene Sorten machen wir nur noch auf Anfrage.» Diese Entwicklung ist nicht neu. Andreas Meier verweist auf die schweizerische Erntestatistik von 1867, deren Sortenspiegel kaum anders als der heutige ist. «Die moderne Weinproduktion in der Schweiz konzentriert sich zur Hauptsache auf wenige, klassische Sorten wie Chasselas, Riesling, Pinot Noir, Merlot und einige andere. Historische Sorten wie Brigler, Hitzkircher, Hündscher oder Mörchel werden kaum mehr gefragt.» Doch viele der klassischen Kulturreben sind eigentlich auch alt. Einige von ihnen gibt es nämlich bei uns, seit die Römer den Weinbau auf dem Gebiet der heutigen Schweiz eingeführt haben. «Der Schweizer Biologe und Experte für genetische Studien von Rebsorten, José Vouillemoz, vermutet die Herkunft der Rebsorten dort, wo die grösste genetische Variabilität einer Sorte zu finden ist», erzählt Andreas Meier. So kann man annehmen, dass das Genfersee-Becken die Heimat des Chasselas ist, während östlich und westlich des Juras die Pinot-Traube und in der Ostschweiz der Riesling zu Hause sind.

 

   

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Vom Elbling und anderen Sorten

Warum verschwinden einzelne Rebsorten? «Das Bessere ist des Guten Feind», sagt Andreas Meier, «wer einen Elbling oder einen Heunisch trinkt, der tut das nicht oft.» Diese Weine empfinden wir heute als ziemlich sauer. «Im Mittelalter wurde viel mehr Wein getrunken als heute, sogar mehrere Flaschen pro Tag», weiss Andreas Meier, «deshalb bevorzugte man Weine mit wenig Alkohol. Hätten die Menschen damals in gleichen Mengen Amarone getrunken, wären sie kaum alt geworden.» Im Laufe der Zeit hat sich der Weinkonsum gewandelt, die Qualitätsansprüche sind gestiegen. In der Fachliteratur findet man viele Hinweise zum Aussterben von Rebsorten, wie das Mandat der Zürcher Obrigkeit aus dem Jahr 1663, in dem angeordnet wurde, schlechte Gewächse durch edle Gewächse zu ersetzen.

Als eines dieser «schlechten» Gewächse galt der Elbling. Diese Rebe mit römischem Ursprung produziert kleine, hart ineinander geflochtene Beeren. Da, wo die Sonne nicht hinkommt, reifen die Beeren schlecht. Und dazu kennt Andreas Meier von seinem Grossvater ein altes Sprichwort: «Wenn der Elbling gepresst wird, muss der Bauer im Stall die Fensterläden schliessen.» Denn man befürchtete, dass die harten Elbling-Beeren, die aus der Trotte wegspickten, eine Kuh ein Auge kosten könnten.

Doch ganz ist der Elbling nicht verschwunden. Im Buch «Geschichte der alten Traubensorten» von Marcel Aeberhard kann man lesen, dass trotz der Anordnung zur Ausmerzung von 1663 der Elbling in der Ostschweiz noch während 200 Jahren weiter angebaut wurde. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Verbreitung der Sorte stark geschrumpft. Aber es gibt ihn noch. Im Kanton Aargau und im St. Galler Rheintal wurde er zum Beispiel Mitte der 80er-Jahre wieder angepflanzt. Und dank neuzeitlichen Kelter- und Pflegemethoden unterscheiden sich die heutigen Elbling-Weine stark von den sauren und verpönten Weinen der Vergangenheit. Es entstehen erlesene Spezialitäten.


Hündscher, Mörchel, Himbertscha: Die Suche nach der ältesten Rebsorte

Doch die Vermarktung bleibt schwierig. «Weinkonsumenten suchen das Vertrauen in gängige Sorten aus gängigen Provenienzen», weiss Andreas Meier. «Wer eine unbekannte Sorte anpflanzt, muss jede einzelne Weinflasche dem Konsumenten erklären. Das ist ein riesiger Aufwand.» Denn am Ende entscheidet der Weinmarkt über das Überleben einer Rebsorte. Das gilt nicht nur für den Elbling. In verschiedenen Weinregionen der Schweiz pflanzen einzelne Winzer zwar historische Sorten an, aber nur in sehr kleinen Mengen. So konnten im Tessin die Bondola-Traube, im Wallis Sorten wie Eiholzer, Himbertscha oder Lafnetscha und in Graubünden der Completer überleben. Doch zurück zur Anfangsfrage: Wie alt sind eigentlich die ältesten Rebsorten?

Über 400 Rebsorten in Frümsen

Ein grauer, kalter Tag im November. Die Weinberge stehen verlassen da. Der neue Wein reift bereits in den Fässern. Die Winzer machen Ferien. Unsere Suche bringt uns nach Frümsen in der Gemeinde Sennwald im St.Galler Rheintal. An einem kleinen, steilen Hang, direkt unterhalb des Alpstein-Massivs, betreibt das Landwirtschaftliche Zentrum St.Gallen (LZSG) den Staatswingert Frümsen. Im flachen, unteren Teil des Rebberges liegt eine der grössten Rebsortensammlungen der Schweiz. Hier wachsen über 400 Rebsorten, darunter fast alle alten Sorten, die in der Schweiz in vergangenen Zeiten angebaut wurden. «Nicht aus Nostalgie, sondern zur Erhaltung genetischer Ressourcen», erklärt Markus Hardegger, Leiter des LZSG-Fachbereichs Weinbau. «Die moderne Züchtung greift auf der Suche nach bestimmten Eigenschaften wie Resistenz gegen Krankheiten oder einem besonderen Geschmack gelegentlich auf alte Sorten zurück. Daher ist die Erhaltung alter Rebsorten eine Investition in die Zukunft.»



Hündscher, Mörchel, Himbertscha: Die Suche nach der ältesten Rebsorte

So erzählt er, dass um das Jahr 1000 in Europa eine klimatische Wärmephase eintrat und die Weinbauern säurereiche Rebsorten suchten, um die Weinproduktion fortführen zu können. «Niemand weiss, wie sich das Klima in Zukunft verändern wird», sagt Markus Hardegger, «plötzlich sind alte, in Vergessenheit geratene Rebsorten gefragt.» Aber auch für die genetische Vielfalt sind diese alten Sorten von Bedeutung. Denn viele neuere Sorten stammen aus alten Reben. «Ohne den Heunisch gäbe es zum Beispiel keinen Chardonnay», weiss Markus Hardegger.


Und dann der überraschende Fund

Hier, in der Rebsammlung Frümsen wachsen sie also, die alten Rebsorten. Der Weisse Elbling gedeiht neben dem Blauen Heunisch, dem Findling von Muhen, dem Schwarzen Erlenbacher und anderen einheimischen Sorten. Dann zeigt uns Markus Hardegger seine Muskatsammlung. Und da finden wir sie, eine der ältesten Sorten der Welt: der Muscat blanc à petit grains!


Hündscher, Mörchel, Himbertscha: Die Suche nach der ältesten Rebsorte

DNA-Spuren und die meisten Experten lassen den Ursprung dieser Rebsorte in Kleinasien vermuten, von wo sie von phönizischen und griechischen Kolonisten im östlichen Mittelmeergebiet verbreitet wurde. Später brachten sie die Römer nach Italien. Ihre Verbreitung im europäischen Raum erfolgte durch die Intensivierung des Freihandels im 12. Jahrhundert. Und im 15. Jahrhundert gelangte sie dann über das Aostatal und den Grossen St. Bernhard ins Wallis. Heute wächst sie dort nur noch in ganz speziellen Lagen. Denn der Muscat blanc à petit grains ist keine einfache Rebsorte. Sie braucht ein heisses, trockenes Klima, wächst sehr stark, produziert kompakte Trauben mit kleinen Beeren und reift sehr spät. Bei Frost ist sie gefährdet.

In Frümsen hat man sie als Absicherung für ihre Erhaltung gepflanzt, obwohl das Klima hier alles andere als geeignet ist. Mit entsprechendem Aufwand im Rebberg, der Trocknung der Trauben nach der Ernte und einer besonderen Pflege im Weinkeller entsteht im Weingut Schmid Wetli in Berneck im Auftrag des LZSG der edle Muscat AOC. «Wir haben verschiedene Muscat- Sorten in der Rebsammlung», erklärt Markus Hardegger, «langfristig wollen wir aus all diesen Sorten einen einzigen Muscat herstellen.» Zur Zeit besteht der Frümser Muscat aus 90 Prozent Muscat blanc à petit grains. «Es ist ein Dessertwein mit einem wunderbaren Muskat-Aroma, einer angenehmen, nicht opulenten Süsse und einer interessanten eingebundenen Säure», schwärmt Markus Hardegger. «Und indem man mit ihr arbeitet, kann man diese älteste Rebsorte der Welt am besten erhalten.» Markus Hardegger lädt die Winzer ein, es auch einmal mit alten Rebsorten zu versuchen. «Auch wenn es anfänglich nicht rentiert. Mit der Zeit wird man reichlich belohnt.»


Mehr zum Thema:

www.gastrofacts.ch/altereben 

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