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Ein Nischenprodukt mit langer Geschichte – Fruchtweine: Geheimnisvoll und unbekannt
Dass man aus Früchten und Beeren Wein machen kann, ist längst bekannt. Im Mittelalter waren Fruchtweine sehr beliebt. Heute sind sie eine Rarität. Und ein wahrer Genuss.

hof herzberg

Der Hof Herzberg liegt auf 700 Meter über Meer, umgeben von der Luzerner Hügellandschaft mit wunderbarem Alpenpanorama.

Laut Statistik der Eidgenössischen Alkoholverwaltung trinken die Schweizer pro Kopf jährlich 56 Liter Bier, 35 Liter Wein, 4 Liter Spirituosen und 1,7 Liter Obstwein. Im Obstweinkonsum ist auch der Saure Most oder Apfelwein enthalten, von dem laut dem europäischen Verband der Apfel- und Fruchtweinhersteller jeder Schweizer im Jahr 1,3 Liter trinkt. Über die restlichen 0,4 Liter gibt es keine offiziellen Angaben. Der Konsum von Fruchtwein ist in der Schweiz tatsächlich verschwindend klein.
Doch der Fruchtwein hat eine lange Geschichte. Denn vergorene Fruchtsäfte waren wahrscheinlich die ersten alkoholischen Getränke überhaupt. Die Forschung weiss, dass die Griechen ihren Wein nicht nur aus Trauben, sondern aus verschiedenen Früchten und Beeren hergestellt haben. Auch die Römer tranken Fruchtwein und nach der germanischen Mythologie galt der Fruchtwein sogar als Göttertrank.

Die Fruchtweinbereitung ist eine alte, traditionelle Methode der Fruchtkonservierung. Dank einer schonenden Behandlung werden die wertvollen Inhaltsstoffe der Früchte erhalten. Ihnen werden sogar heilende Kräfte nachgesagt. Bis ins späte Mittelalter waren Obstweine sehr beliebt. Doch im Verlauf der Geschichte hat ihre Bedeutung stetig abgenommen, bis sie fast in Vergessenheit geraten sind. Eigentlich schade, denn Fruchtweine sind süffig und angenehm leicht zu trinken. Kenner und Geniesser wissen, dass aus Früchten und Beeren hervorragende Weine mit einem Alkoholgehalt zwischen 7 und 13 Volumenprozenten entstehen können. Sie schätzen ihren vollmundigen Charakter mit dem dezenten Fruchtgeschmack, der rassigen Fruchtsäure und dem duftig frischen Bukett.

Fast ein Geheimnis

Grundsätzlich kann aus fast jeder Frucht oder Beere Obstwein hergestellt werden. Selbst Rhabarber, Hagebutte, Holunderblüten und Honig können zu Wein verarbeitet werden. Obstwein wird ähnlich wie Traubenwein hergestellt. Die reifen Früchte werden sofort nach der Ernte zerquetscht und zusammen mit Zuckerwasser und Reinzuchthefe zu einer Maische vermischt. Bald setzt die Gärung ein, nach etwa zwei Wochen wird der Fruchtsaft abgepresst und in Glasballons abgefüllt. Die anschliessende stille Gärung kann einige Monate dauern. Danach reifen die Fruchtweine während weiteren zwei bis drei Monaten.

Das hört sich einfach an, ist es aber nicht. Denn jede Frucht reagiert bei der Gärung anders, die Prozesse sind ziemlich schwierig zu meistern, die Herstellung von Fruchtweinen verlangt sehr viel Erfahrung. Und die Kenntnisse sind nicht leicht zu bekommen. Denn niemand weiss, wie viele Hersteller es heute in der Schweiz noch gibt. Es existiert kein Verband und keine offizielle Adressliste. Leicht zu finden sind sie auch nicht und kaum einer ist bereit, über seine Herstellungsmethoden Auskunft zu geben. Das Wissen wird gehütet wie das Geheimrezept des Appenzeller Käses. Obstweinhersteller sind angeblich Einzelkämpfer. Mit einem von ihnen konnten wir dennoch sprechen.

hofeigene Fruchtweine

Die Obstweinauslage im Hofladen Herzberg.


Der Kämpfer vom Herzberg

Um den Hof von Bernhard Zemp zu finden, braucht es gute Geografiekenntnisse. Das winzige Dorf Uffikon liegt im Hürntal. Dieses wiederum liegt im Kanton Luzern, zwischen Dagmarsellen und Sursee. Hat man Uffikon gefunden, ist der Weg auf den 700 Meter hohen Kreuzberg zum Hof Herzberg gut beschildert. Der Empfang auf dem Hof ist buchstäblich herzlich. «Was von Herzen kommt, kommt im Herzen an», philosophiert Bernhard Zemp, Hausherr in vierter Generation. Er hat aus dem Herzberg eine Herzensangelegenheit gemacht, wie wir noch sehen werden.

Bernhard Zemp befasst sich schon lange mit Fruchtweinen. «Es sind Weine, aber doch keine Weine», sinniert er, «es ist aber auch kein Süssgetränk. Es ist etwas dazwischen.» Auf dem Herzberg wurden schon immer Früchte, Gemüse und Beeren produziert. Doch es wurde immer schwieriger, davon zu leben. Im Jahr 2000 hat er begonnen, aus seinen Früchten und Beeren Obstwein herzustellen. Zwei Jahre später präsentierte er seine Produkte an der Expo.02 und löste einen kleinen Boom aus. «Der Obstwein zog die Gäste auf den Hof, sie degustierten und kauften», erzählt Bernhard Zemp. Der kreative Hausherr organisierte Kunstaustellungen auf dem Hof und bewirtete seine Gäste mit Speis und Obstweinen. «Kunst und Fruchtweine waren sehr beliebt, es kamen bis zu 30’000 Besucher pro Jahr, wir verkauften sehr gut», erinnert er sich.

Doch es dauerte nicht lange. Denn laut Gesetz dürfen in Landwirtschaftszonen keine Kunstobjekte installiert werden. Obwohl er dafür eine Sonderbewilligung des Luzerner Regierungsrates besass, verlangten einige Dorfbewohner vom Gemeinderat eine Zonenänderung. «Es kam zur Abstimmung… Weiter muss ich wohl nicht erzählen», beklagt sich Bernhard Zemp. Nach sieben erfolgreichen Jahren musste das Projekt Ende 2008 eingestellt werden. Seither ist der Verkauf von Herzberg-Fruchtweinen stark rückläufig. Heute beträgt er kaum mehr als 10 % des damaligen Volumens. Doch mit diesem bescheidenen Absatz ist Bernhard Zemp nicht allein.

Bernhard Zemp

Bernhard Zemp bei seinem Waldzeremonienplatz


Wer Fruchtwein sucht, der findet ihn kaum

Vermutlich kann heute kein Produzent allein von der Herstellung von Fruchtweinen leben. Die Hersteller verkaufen ihre Weine entweder direkt ab Hof oder bieten sie im Internet an. Nur ein paar wenige Getränkehändler haben sie im Sortiment. Am ehesten findet man Obstweine auf Regionalmärkten und an Mittelalter- Anlässen. Laut Bernhard Zemp sind Fruchtweine aus dem Trend gekommen, der Markt ist eingebrochen. «Es gibt einfach viel zu viel hervorragenden Traubenwein, und der wird von einigen Grossverteilern zu Discountpreisen angepriesen. Da kann der Obstwein nicht mithalten.» Bernhard Zemp ist überzeugt, dass Fruchtweine etwas Ausserordentliches sind. «Aber das Ausserordentliche will man nicht jeden Tag konsumieren.»

Doch Fruchtweine werden unterschätzt. Sie sind eher lieblich und schmecken nach der Frucht, aus der sie gekeltert sind. Nicht zu süss und nicht zu sauer. Sie eignen sich hervorragend als Aperitif oder können sehr gut einen teuren Dessertwein ersetzen. Aber nicht nur: Heidelbeerwein passt zum Beispiel gut zu Wildgerichten und der spezielle Williamswein vom Herzberg ist zusammen mit einer Käseplatte ein absolutes Erlebnis. Erfunden hat ihn Bernhard Zemp. «Es hat viel gebraucht, bis ich meinen Williamswein machen konnte», erzählt er. «Der Gärprozess ist ziemlich schwierig, wie auch die Gewährleistung der Hygiene. Im Moment bin ich immer noch der Einzige. Die Birnen wachsen auf meinem Hof – der Rest ist geheim.» Nur noch so viel will er verraten: Fruchtweine sind rasch trinkfertig, sie müssen nicht lange gelagert werden. Hochqualitative Obstweine kann man wie einen guten Weisswein drei bis acht Jahre lagern. Allerdings muss der Lagerort dunkel sein und eine konstante Temperatur aufweisen. Licht und Temperaturschwankungen können den Fruchtwein zerstören.

Und dann setzt er nochmals nach: «Fruchtweine sind die Süsse des Lebens. Vor allem junge Damen mögen ihn. Die Weine sind ideal für ein Tête-à-tête. Im richtigen Moment ein lieblicher Wein mit der richtigen Person… Wem da nichts einfällt, der ist selber schuld.»

Liebeswein von Herzberg

Der Liebeswein vom Herzberg mit Blüten aus weissen Rosen.


Wohl weiterhin ein Nischenprodukt


Fruchtweine sind ein Nischenprodukt, ist Bernhard Zemp überzeugt. Und sie werden es wohl auch bleiben. Um den Markt zu beleben, müssten sich seiner Meinung nach die Hersteller organisieren, einen Verband gründen und professionelles Marketing betreiben. Doch so lange will Bernhard Zemp nicht warten. Der einfallsreiche, lebensfrohe Unternehmer hat schon viele Projekte realisiert, die meisten mit Erfolg. Als der Markt für Fruchtweine einbrach, wandelte er seinen Betrieb kurzerhand zum Generalunternehmen für Hochzeiten um. Die fast grenzenlose Aussicht über die Luzerner Landschaft, atemberaubende Sonnenuntergänge und der originelle Waldzeremonienplatz garantieren den Erfolg. Zum Aperitif wird selbstverständlich ein eisgekühlter Williamsschaumwein wie auch ein erfrischender Fruchtwein serviert. «Gewachsen am Herzberg – im Herzen gereift», empfiehlt sich der Hofherr vom Herzberg.


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Von Peter Keller
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