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Die Tourismusschule am Polarkreis
Man stelle sich vor: Rovaniemi, mit rund 60 000 Einwohnern die nördlichste Stadt Finnlands und mit 8017 km² (mehr als das Dreifache Luxemburgs) die flächengrösste Europas, 800 km bis hinunter zur Hauptstadt (fast die Strecke Zürich–Hamburg), Bevölkerungsdichte 7,2 Einwohner pro Quadratkilometer (188 in der Schweiz). Was hat eine Tourismusschule hier oben zu suchen?

lappland
«Tatsächlich ist Finnisch-Lappland sehr dünn besiedelt », erklärt Johan Edelheim, Direktor des Multidimensionalen Tourismusinstitutes MTI, zu dem auch die Tourismusschule gehört: «Bei uns leben gerade einmal 3,8% der Bevölkerung auf einem Drittel der Gesamtfläche Finnlands. Aber ein Drittel des Tourismus spielt sich hier oben ab und der Trend zeigt nach oben. Man misst sich an uns.» Grundsätzlich gibt es mehrere Gründe: schneesicherer Wintersport, Safaris auf Fahrzeugen und Booten durch die ursprüngliche Landschaft, Durchreise auf dem Weg zum Polarkreis. Sehr lange bleibt man nicht hier, 1 bis 3 Tage in der Regel. «Allerdings haben wir auch Gruppen aus Israel, die bleiben eine ganze Woche.»

Santa Claus ist ganzjährig aktiv
Aber der grösste Magnet hier oben ist der Weihnachtsmann. Wieso gerade hier? Die Antwort gibt das in den 1920er-Jahren entstandene Weihnachtsmärchen des populären finnischen Radiosprechers Markus Rautio. Danach lebt der Weihnachtsmann im Berg Korvatunturi im Norden Finnlands, geformt wie ein Ohr, in dem er die Wünsche der Kinder aller Welt hören kann. Nur liegt dieser Berg weit abgelegen an der russischen Grenze, alles andere als ideal für die Tourismusförderung. So richtete man Santa Claus einen zweiten Wohnsitz ein, ein paar Kilometer nördlich von Rovaniemi, auf dem Polarkreis, wo die Touristenströme sowieso durchfliessen. Und wer A sagt, sagt auch B, zieht seine Pläne konsequent durch. Der Weihnachtsmann bloss über Weihnachten bringt ja nicht viel. Die Kasse muss rund ums Jahr klingeln. So entstand das Weihnachtsmanndorf, wo man Santa Claus auch im warmen Sommer begrüssen kann. Im Weihnachtsmann-Postamt werden Briefe von Kindern aus aller Welt bearbeitet und beantwortet.

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Schule ersetzt Lehre

Die Tourismusschule von Rovaniemi entstand 1974, 2009 legte man sie mit den später gegründeten Instituten in Kittilä und Sodankylä zum «Lapland Tourism College» zusammen. An allen Standorten kann man sich zum Koch, Kellner oder Hotelfachangestellten ausbilden lassen, an einzelnen auch zum Tourismusfachmann. Das macht auch schon etwas klar: Es handelt sich hier um eine Grundausbildung auf dem Niveau unserer Lehre. Die Berufslehre kennt man zwar auch in Finnland. Aber sie ist viel seltener, und das besonders im Gastgewerbe. Die Ausbildung für alle drei Berufe dauert üblicherweise drei Jahre. Ein Jahr weniger, wenn man als Kellner zum Beispiel schon ein Kochdiplom hat, ein Jahr länger, wenn man parallel dazu die Matura macht. Die Unterrichtsangebote sind gut aufeinander abgestimmt, lassen sich modular kombinieren zwischen Tourismusschule, Gymnasium, Fachhochschulen und der seit 1979 in Rovaniemi angesiedelten Universität mit den Fakultäten Kunst und Design, Bildung, Rechtswissenschaft, Tourismus und Wirtschaft. So ist es auch klar, dass man für die Ausbildung zum Hotelier parallel zur Tourismusschule oder anschliessend dafür konzipierte Kurse an einer Fachhochschule oder Universität besucht. Bestimmte Fächer lernt man dort in speziellen Tourismusklassen, andere zusammen mit Studenten, die sich für andere Berufe vorbereiten.

Praktika in der Hochsaison
Und die Praxis? Im ersten Jahr lernt man ausschliesslich in der Tourismusschule. In Rovaniemi gibt es vier Küchen, das bediente Restaurant Oppipoika, eine Cafeteria und ein Selbstbedienungsrestaurant. Dort lernen und arbeiten die Schüler generell dann, wenn es im Tourismus flau ist. Ab dem zweiten Jahr können sich die Studenten für meist fünfwöchige Praktika bewerben, dann, wenn die Touristenströme anrollen – typischerweise in Lappland, aber auch in ausländischen Schulen und Organisationen, zum Beispiel in Frankreich oder Island. Dort werden die Studenten von den Coaches der Schule besucht, kontrolliert, beraten und vielleicht auch ermutigt, den Praktikumsplatz zu wechseln, wenn sie mehr Herausforderung brauchen könnten. Man gewinnt rasch einmal den Eindruck, dass man hier oben einfacher Nachwuchs findet als in der Schweiz. «Das stimmt», antwortet Schulleiterin Leila Hurtig: «Lappland ist ja sehr ländlich und gerade Jugendliche aus solchen Regionen lassen sich einfach für unsere Berufe motivieren. Einzig in Kittilä kommt etwa ein Drittel der Studenten aus dem Süden.» Dazu muss man wissen, dass zu Kittilä auch das sehr beliebte Wintersportresort Levi gehört, was die Faszination erklärt.

Turnen angesagt
Für die Gestaltung des Lehrplans kommen die Vorgaben auf der einen Seite vom Staat. Vorgeschrieben sind zum Beispiel 26 Turnstunden. Tatsächlich betreut ein Gymnastiklehrer die Studenten durch die ganze Ausbildungszeit. Hier geht es vor allem um die Gesundheit am Arbeitsplatz, um die richtige Arbeitsweise und Körperhaltung, damit man den harten beruflichen Alltag meistert. So bestimmt der Gymnastiklehrer für jeden Studenten ein Trainingsprogramm an Geräten und Kraftmaschinen im hauseigenen Gymnastikraum. Für die Bestimmung der beruflichen Lernziele trifft sich die Schulleitung regelmässig mit den lokalen Vertretern der Hotelketten, die den Markt beherrschen und intensive innerbetriebliche Schulungen betreiben. Die Ausbildung für die 380 Jugendlichen ist gratis, zudem stellt die Schule auch Übernachtungsplätze zur Verfügung, die jedoch wenig genutzt werden. Für dieselben Berufe sowie für die Hauswirtschaft organisiert die Tourismusschule Weiterbildungskurse in ganz Lappland. Diese werden vom Staat ausgeschrieben und die Kursanbieter können sich dafür bewerben.

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Antti: Ausbildung zum Kellner

Was halten die Studenten von der Tourismusschule? Wir sprachen mit dreien und beginnen gleich mit Antti Uusitalo,23- jährig und im zweiten Ausbildungsjahr zum Kellner. «Ich komme von weiter unten – Kokkola. Schon sehr früh faszinierte mich die Gastronomie und ich lernte Koch.» Vor zwei Jahren zog es ihn in den Norden, nach Kuusamo, als Kellner. «Mir gefällt der Umgang mit Gästen und vor allem mit ausländischen Touristen. Lappland ist interessant und hier boomt der Tourismus. Ich beschloss, die Ausbildung zum Kellner anzuhängen.» Bisher absolvierte Antti zwei Praktika, eines im bei Touristen beliebten Restaurant Nili. «Hier haben wir auch Japaner und Russen. Während den ersten Tagen hatte ich von vielem keine Ahnung, musste jene Dinge auf Finnisch und Englisch auswendig lernen. Aber ich hatte gute Arbeitskollegen, dank denen ich viel lernte. Gab es gute Trinkgelder? «Da muss man unterscheiden. Die Finnen beschweren sich oft. Gibt es keine Reklamationen und danken sie beim Aufstehen, ist man bereits glücklich. Am spendabelsten war ein russischer Gast. Der drückte mir 60 Euro in die Hand.» HOTELLERIE | 009 «Nach meiner Ausbildung kann ich überall arbeiten, die Methoden sind immer dieselben. Im Moment reizen mich Getränke mehr als Gerichte. Weshalb nicht einmal als Chef-Bartender in einer hübschen Bar in London?» Wird Antti mit seinem Beruf genug verdienen? «Erstens will ich nicht einfach fürs Geld arbeiten, sondern meine Tätigkeit mit Leidenschaft auswählen. Man muss seinen Beruf lieben. Aber ich bin sehr ehrgeizig, will es weit bringen und vielleicht habe ich einmal mein kleines Restaurant.»

Aleksi, Ausbildung zum Koch
Aleksi Pitkänen, 16, lernt seit einem Jahr Koch. Ein grosser Teil seiner Familie ist in der Hotellerie engagiert und so lag die Berufswahl fast auf der Hand. «Schon als Junge schaute ich Kochsendungen, und Gordon Ramsey ist eines meiner Vorbilder. Ich wollte die Familientradition aus eigenem Willen fortsetzen. Als meine Mutter aus der Region Oulu hierherzog, war es für mich klar: Ich wollte diese Schule besuchen. Sie hat einen guten Ruf und ich liebe den Norden samt Nordlicht. Helsinki zieht mich nicht an.» Wo sieht sich Aleksi in zehn Jahren? «Daran will ich jetzt nicht denken. Bin ich einmal diplomierter Koch, will ich auch noch Kellner lernen, dann stehen mir alle Türen offen. Je mehr Diplome, desto besser. Vielleicht übernehme ich einmal das Restaurant meines Onkels in Levi. Aber schon als Kind musste ich mir mein Taschengeld selbst verdienen und weiss, dass auf dieser Welt nichts gratis ist. Geld ist gut und notwendig, aber am meisten freue ich mich doch, wenn die Gäste glücklich sind.»

Sara, Ausbildung zur Hotelfachfrau
Die Ausbildung der 18-jährigen Sara Juujärvi als Hotelfachangestellte dauert vier Jahre, denn sie macht parallel dazu noch die Matura. Mit ihrer Ausbildung ist sie sehr glücklich, die Lehrer sind motivierend und professionell. Anderseits ist es ihr auch klar, dass sie mit diesem Beruf nicht so einfach eine gute und gut bezahlte Stelle findet wie als Köchin oder Kellnerin. «Das ist für mich auch nur eine Übergangsphase. Ich will an die Hochschule, vielleicht ein Auslandjahr dazwischenschalten. Ob ich dann in der Hotellerie bleibe, ist noch ungewiss.»

Mit Qualität Wettbewerbsvorteile holen
Nicht alle Entwicklungen in Finnisch-Lappland stimmen optimistisch. Die Parahotellerie ist gross im Kommen. Investiert wird in riesige Appartement-Komplexe, Ferien in Holzhütten zweigen Tourismusströme ab. Hier haben gelernte Hoteliers nichts zu suchen. Von Inhabern geführte Hotels sind selten, Ketten dominieren. Die Preise stiegen in den letzten Jahren enorm, nicht zuletzt wegen dem hohen Mehrwertsteuersatz von 24%. «Gegen all das können wir wenig ausrichten», meint Edelheim: «Was wir jedoch können, ist die Qualität der Leistungen im Gastgewerbe verbessern. Gerade deshalb sind wir enorm froh, dass wir immer wieder aufs Neue ehrgeizige, engagierte und hoch motivierte junge Leute an unserer Schule begrüssen dürfen.»


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