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Bäuerinnen wollen vom Erfolg der TV-Sendung profitieren: Landfrauenküche live
Gemeinsam essen und über Früchte und Gemüse in der Schweiz sprechen? Für Christine Bühler, Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen und Landfrauenverbands, ist klar, wo wir das machen: auf einem Bauernhof, bei einer Tavolata.

bühler
Das Bauernhaus von Familie Hügi in Niederbipp (BE)

Eine Nebenstrasse in Niederbipp (BE). Da wir kein «angeschriebenes Haus», kein Restaurant suchen, lassen wir die Scheibe des Autos runter und fragen. «Sind wir hier richtig bei Hügi?» «Ja, sieht gut aus!» Der Mann vor dem Haus lacht, zeigt uns den Weg zum Parkplatz. Dass er gleich selbst Pesche Hügi ist, der Partner unserer Gastgeberin, wäre damit klar. Und beim Parkplatz ist der Bauernhof dann doch angeschrieben: «Swiss Tavolata» steht auf einer roten Flagge.

Genau deshalb hat Christine Bühler den Hof für unsere Rubrik «Bon Appétit» vorgeschlagen. «Swiss Tavolata» ist ein Projekt des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands, den sie präsidiert, sowie der Firma Home Food Media. Das Konzept: Bäuerinnen kochen für angemeldete Gäste ein gepflegtes Menü mit Produkten vom eigenen Hof. «Die Fernsehsendung Landfrauenküche hat uns gezeigt, wie sehr sich die Leute dafür interessieren, wie man mit einheimischen Produkten und Althergebrachtem etwas Neues, Feines und Kreatives zubereiten kann», erklärt Christine Bühler.

Ideen weiterentwickeln

Aus der Küche der Landfrauen macht SRF also eine TV-Sendung, und daraus wiederum machen die Landfrauen ein Angebot. Rahel Hügi, unsere heutige Gastgeberin, ist eine von gegen 50 Landfrauen, die über die Onlineplattform von Swiss Tavolata ein Menü für Gäste anbieten. Und es ist wirklich einfach eins. «Das gibt Routine beim Kochen», sagt Christine Bühler, die nun mit mir am grossen und hübsch dekorierten Tisch in Hügis moderner Wohnküche Platz genommen hat.

Rahel Hügis Viergänger startet mit einem warmen Apérozopf – «mit Mostbröckli von unseren Tieren und Baumnüssen von unseren Bäumen». Dazu gibts einen alkoholfreien Schaumwein. Ein sehr gelungener Einstieg, dem der zweite Gang in nichts nachsteht: ein Saisonsalat – bei unserem Besuch Ende März ein Nüsslisalat aus dem eigenen Treibhaus – und eine köstliche Gemüseterrine mit Rüebli und Broccoli. Alles aus eigener Produktion, alles bio. «Den Broccoli», erklärt die Gastgeberin, «habe ich im vergangenen Sommer blanchiert und in Röschen eingefroren.» Die Bäuerinnenpräsidentin am Tisch strahlt. Sie freut sich nicht nur über das feine Essen und die hofeigenen Produkte, sondern auch über genau solche Informationen. Denn: Ernährung und Hauswirtschaft sind ein Kerngebiet des Bäuerinnen- und Landfrauenverbands. «Wir wollen Konsumentinnen und Konsumenten zeigen, was hinter Lebensmitteln steckt und was man daraus machen kann.»

Nüsslisalat mit Gemüseterrine

Nüsslisalat mit Gemüseterrine – alles vom eigenen Hof

Wissen ging verloren

«Ich bin überzeugt, dass viele Leute viel zu wenig über Früchte und Gemüse wissen», sagt Christine Bühler. «Sie haben das Gefühl, das bedeute automatisch viel Rüstarbeit, und gesund essen sei nicht so toll, nicht so gut. Ich finde genau das Gegenteil.» Eine grosse Wissenslücke sieht die oberste Schweizer Bäuerin bei der Frage, was wann Saison hat. «Jetzt, Ende März, sind die Läden bereits voll mit Spargeln. Nun, meine Spargeln habe ich gestern gejätet, da kommt nichts vor Mai. Aber dann sind sie wahnsinnig gut. Und es sind so viele, dass wir sie fast nicht essen mögen – beziehungsweise einfach immer Spargeln essen.» Dass viele Konsumentinnen und Konsumenten wenig über Saisons wissen, hat für Christine Bühler einen einfachen Grund: «Sie haben keinen direkten Zugang mehr zu einem Gemüsegarten, selbst wenn sie auf dem Land wohnen.» Pesche Hügi serviert den Rotwein, und auch dazu gibt es eine Geschichte: Der Wartenfelser, den wir zum Hauptgang geniessen werden, kommt von einem Kollegen in Lostdorf. Eine Assemblage der Sorten Cabernet Jura, Regent und Blauburgunder. Hügis haben selbst sechs Aren Reben und produzieren Sauser für zwei Restaurants in der Region – ein Nebengeschäft. In erster Linie betreiben Hügis, die seit 21 Jahren biologisch produzieren, Gemüse- und Ackerbau: Erbsen, Ackerbohnen und Bohnen. Hier läuft der Verkauf über Anbauverträge mit Lebensmittelherstellern, wie Pesche Hügi erklärt. Das zweite Standbein ist die Mutterkuhhaltung. Ihr Natura Beef vermarkten sie grösstenteils direkt ab Hof.

Familie muss mitziehen

Eigentlich gehört eine Führung durch den Betrieb zum Tavolata- Standardprogramm, und dafür ist meist der Mann zuständig, während die Landfrau eben kocht und Gastgeberin ist. Christine Bühler und ich verzichten auf den Rundgang, sind damit aber auf einen wichtigen Punkt der Tavolata gekommen. Nämlich wie wichtig es ist, dass nicht nur die Landfrau alleine mitmachen will, sondern auch ihre Familie. «Sonst funktioniert es nicht auf Dauer», so Christine Bühler. Die Tavolata sieht sie übrigens nicht als Konkurrenz zu Restaurants: «Ich finde das eine wunderbare Ergänzung. Ich habe auch meine Lieblingsbeiz, in die ich immer wieder gehe, aber zwischendurch mal etwas anders ist doch schön. Und: Die Tavolata fördert die Kultur des Auswärtsessens und die Idee, sich etwas zu gönnen, etwas auszuprobieren.»

In Hügis Wohnküche ist es Zeit für den Hauptgang: Natura Beef Cordon bleu, Quarkknöpfli mit Petersilie und Schnittlauch sowie als Saisongemüse Randen, Rüebli und Rosenkohl. Hier sieht und schmeckt man, was unsere Gastgeberin Rahel Hügi auch in Worten ausdrückt: «Ich koche fürs Leben gern.» Und Christine Bühler? «Ich koche sehr gerne. Am allerliebsten schaue ich, was gerade im Kühlschrank, im Gemüsegarten oder sonst vorhanden ist und koche damit.» Als Präsidentin des Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV) und Vizepräsidentin des Schweizer Bauernverbands sei sie allerdings viel unterwegs. «Seit ich diese Ämter innehabe, haben wir einen Lernenden in unserem Betrieb, und er isst auch bei uns. Das heisst: Ich muss oft vorkochen und weit planen, das finde ich nicht so toll.»

pesche und rahel hügi

Landwirte und Gastgeber: Pesche und Rahel Hügi

Werte vermitteln

Doch die Verbandsämter, die jetzt «eigentlich der Hauptjob» der Bäuerin Christine Bühler sind, gefallen ihr sehr. Der Bäuerinnenund Landfrauenverband sei mit seinen 57’000 Mitgliedern einer der grössten Frauenvereine in der Schweiz. «Und es ist ganz wichtig, dass die Frauen ihr eigenes Sprachrohr haben, nicht nur in der Landwirtschaft.» Ihre Aufgabe als Präsidentin sieht Christine Bühler darin, «der Bevölkerung – den Konsumentinnen und Konsumenten – die Werte der Schweizer Landwirtschaft näherzubringen. » Dazu soll eben auch die Tavolata etwas beitragen, die bei Rahel Hügi nun mit einer «Apfelwolke» abgerundet wird, einem Schichtdessert mit Äpfeln, Birnen, selbst gebackenen Haselnussstengeln sowie Rahmquark mit Vanille und Zitrone.

Unsere Gastgeberin wurde von einer Kollegin auf das Projekt Swiss Tavolata aufmerksam gemacht. «Ich war offen für eine neue Idee, und ich habe auch Zeit», erzählt Rahel Hügi. «Ich hatte noch 30 Prozent als Krankenschwester gearbeitet, das war meine Passion.» Ein schwerer Unfall setzte dem ein jähes Ende. Rahel Hügi hat sich damit abgefunden. Mit einem Lächeln sagt sie: «Früher habe ich Menschen gepflegt, jetzt bekoche ich sie halt.» Sie habe etwa zwei Tavolatas pro Monat, und das sei gut so. «Ich fürchte, es könnte mir verleiden, wenn ich plötzlich zwei pro Woche hätte. So, wie es jetzt ist, kann ich mich auf jede Tavloata freuen.» Und mit ihr freuen sich ihre drei erwachsenen Kinder. Ihr Esstisch ist dann zwar besetzt, dafür gibts danach oft auch für sie frische Knöpfli oder Apérozopf.

Christine Bühler und ich geben den Esstisch im Niederbipper Bauernhaus nun wieder frei. Wie das Essen haben auch die Komplimente und Grüsse in die Küche praktisch keinen Weg zurückzulegen. Wir verabschieden uns von Rahel Hügi – Pesche hat sich schon früher Richtung Feld verabschiedet – und auf dem Spaziergang durch den prächtigen Garten stelle ich Christine Bühler eine letzte Frage: Könnte sie sich vorstellen, einmals Tavolata-Gastgeberin zu werden? «Im Moment sicher nicht, aus zeitlichen Gründen», sagt sie, «aber ich habe das tatsächlich im Hinterkopf. Man muss ja auch noch Projekte für später haben.»


Mehr zum Thema und weitere Informationen zu Tavolata und zum Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverband.


Von Tobias Fischer

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