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Architektur erschafft den Ort
Ein Gespräch mit Mario Botta


Mario_botta

Ein Beitrag von Peter Keller

Architetto Botta, wie viele Hotels und Restaurants haben Sie vor dem Restaurant auf dem Monte Generoso gebaut?

Wenige. In China habe ich ein grosses Hotel gebaut, das Starwood in Shanghai. Und für die Starwoodgruppe bearbeite ich zur Zeit weitere Projekte. Dann habe ich in Frankreich, nördlich von Strassburg, für den Besitzer der Villa Lalique das neue Restaurant gebaut, in dem heute der Dreisternekoch Jean-Georges Klein wirkt. In der Schweiz habe ich vor dem Restaurantbau auf dem Gipfel des Monte Generoso nur Nebenbauten realisiert, wie den Wellnessbereich Bergoase für das Hotel Tschuggen in Arosa oder das Mineralbad & Spa für das Hotel Rigi Kaltbad.

Würden Sie in der Schweiz ein ganzes Hotel bauen?

Ja, das würde ich gerne. Weil die grossen Hotels hier alle diesen internationalen Touch haben, sie ähneln sich alle. Ich vertrete die Auffassung, dass Hotelgäste in den Hotels die charakteristische Identität des Ortes suchen. Das ist in der ganzen Welt so, trotz Globalisierung. Ein Gast fliegt nicht nach Shanghai, um sich wie in St. Moritz zu fühlen. Er geht nicht in ein Hotel in St. Moritz, das ihn an Hong Kong erinnert.

Sie entwerfen Bauten in der ganzen Welt. Spiegelt sich in jedem Ihrer Gebäude die Typologie des jeweiligen Ortes wieder?

Da würde ich sogar weitergehen. Der Ort ist Teil des Projektes. Ein Architekturprojekt ist kein isoliertes Objekt, das man beliebig verschieben kann. Das Restaurant auf dem Monte Generoso kann nirgendwo anders stehen. Es kann einem gefallen oder nicht, aber es stellt heute ein ikonografisches Zeichen dieses einmaligen Berges dar. Die Architektur ist nicht ein Mittel, um an einem Ort zu bauen. Die Architektur erschafft diesen Ort. Das bedeutet, dass die Architektur eines Gebäudes Teil der lokalen Geografie, der Geschichte und Kultur eines Ortes wird.

Trotzdem: Einen Botta-Bau erkennt man sofort an seinen unverwechselbaren Formen.

Das ist etwas Anderes. Das ist die Handschrift. Die kann immer die selbe sein. Der Schriftsteller García Márquez benutzt die gleiche Handschrift für seine recht unterschiedlichen Romane «Hundert Jahre Einsamkeit» und «Chronik eines angekündigten Todes». Picasso benutzt den gleichen Pinselstrich, um «Les demoiselles d’Avignon» oder «Guernica» zu malen. Ein Giacometti ist immer ein Giacometti, ein Klee immer ein Klee. Man darf den Inhalt eines Werkes nicht mit den autobiografischen Wesenszügen eines Autors verwechseln.

Wie viel Swissness steckt in Ihren Bauten?

I
ch denke, sehr viel. Schon nur in der baulichen Qualität. Ich habe die Bautradition der Seenregion der südlichen Alpen verinnerlicht, mit viel Liebe zum Detail und zu den verwendeten Materialien, was in anderen Weltgegenden weniger der Fall ist. In nördlichen, klimatisch harten Ländern wird besser gebaut als zum Beispiel in Matera, wo die Temperatur konstant um die 23 Grad liegt. Das bedeutet, dass die Schweiz in meinen Projekten indirekt immer präsent ist, auch wenn mein Blick zum Mittelmeer gewandt ist.

In Ihrer Biografie «Architektur leben» unterscheiden Sie zwei Kategorien des Entwerfens und des Bauens: die des Wohnens und die der Räume des Gedächtnisses. In welche dieser Kategorien fallen Hotels und Restaurants?

Sicherlich in die Kategorie des Wohnens, denn Hotels und Restaurants stellen eine Form des Habitats dar, wenn auch zeitlich beschränkt. Das ist wichtig für die Architektur. Denn wer wohnt, sucht im Wohnraum eine Identität, er sucht Zeugen der jeweiligen Landschaft. Auch wenn er den Ort nur für kurze Zeit besucht. Mich macht es traurig, wenn ich in einer Kulturstadt in einem stillosen Hotel übernachten muss, das nichts von der Kultur dieser Stadt verkörpert. Der Gast muss die Identität eines Ortes erleben können. Denn wenn ich ihm ein internationales Ambiente biete, ist er im Moment vielleicht zufrieden. Aber er kehrt kein zweites Mal in dieses Lokal zurück. Neulich war ich in Spoleto in einem Restaurant, in dem man mit der Piazza, mit dem Konzert, mit der ganzen Stadt sprechen konnte. Das hat mich glücklich gemacht.

Das alles macht das Entwerfen eines Gasthauses recht kompliziert. Es muss eine klare Identität besitzen, aber auch funktionieren.

Ja, klar. Aber verwechseln Sie bitte nicht die Funktionalität, die sicherlich nötig ist, mit der Qualität. Ein Gasthaus kann gut funktionieren. Aber wenn es stumm ist, mich nicht anspricht, ist es für mich kein gutes Gasthaus. Wenn die Funktionalität fehlt, fehlt sicherlich auch die gute Architektur. Aber wenn die Funktionalität stimmt, ist es nicht genug. Die Architektur muss dem Gast einen Mehrwert bieten. Sie muss metaphorische, symbolische, evokative Werte berücksichtigen. Denn auch wenn die Menschen dies nicht wissen, tief in ihrem Innern suchen sie danach.


Einen Artikel über den Bau des Restaurants auf de Monte Generoso können Sie hier lesen.

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