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An American Dream – Swiss Style
Was passiert, wenn zwei Auslandschweizer Heimweh nach Luzerner Chügelipastetli, St. Galler Bratwurst und Berner Rösti kriegen? Ganz einfach: Sie eröffnen ein Schweizer Restaurant. So geschehen in Washington DC.


Silvan Krämer und Küchenchef David Fritsche
Silvan Krämer (links) und Küchenchef David Fritsche haben den «Stable» im vergangenen April eröffnet.


Der Tisch ist gedeckt, mit rot kariertem Tischtuch, gleichfarbigen Servietten, weissen Tellern, Besteck und Gläsern. Inmitten von Käse, Kartoffelkörbchen und dem üblichen übrigen Raclettezubehör steht das heisse Öfeli. Die vier Leute an der Tafel zögern allerdings, blicken sich hilfesuchend um. Doch die anderen Gäste im Restaurant sind zu tief versunken in ihre Speisekarte, das Essen auf ihren Tellern oder in angeregten Diskussionen. Sie nehmen die stillen Hilferufe nicht wahr.

schweizerkuecheExotische Schweizer Küche

Einem entgehen sie jedoch nicht: Silvan Krämer. Er begrüsst die Gäste herzlich – und erklärt ihnen dann, was es mit den Käsescheiben, den Kartoffeln, Cornichons, Silberzwiebeln und Gewürzen auf sich hat. Muss man das Raclette-Essen wirklich erklären? Ja. Denn wir befinden uns in Washington DC. In Amerika also, wo die Schweizer Küche – mal abgesehen von Fondue und Schokolade – etwas völlig Exotisches ist. Kein Käse!

Der gebürtige St. Galler Silvan Krämer und sein Geschäftspartner David Fritsche, ein waschechter Einsiedler, sind auf dem besten Weg, dies zu ändern. Zumindest in Washington DC, wo sie im letzten April den «Stable» eröffnet haben. Mit dem bisher einzigen Schweizer Restaurant der Stadt haben sich die beiden in weniger als einem Jahr einen Namen gemacht – bei Heimweh-Schweizern und Amerikanern gleichermassen.

Auf der Speisekarte findet man Schweizer Gerichte wie Züri- Geschnetzeltes, Berner und Walliser Rösti, Landjäger – und eben Raclette. «Die Amerikaner lieben geschmolzenen Käse, Raclette läuft enorm gut.» Nicht alles auf der Karte kam auf Anhieb gut an. Mit Luzerner Chügelipastetli konnten die meisten zu Beginn herzlich wenig anfangen. Doch dann schaffte es das Gericht auf die Titelseite der «Washington Post» und plötzlich war es ein Renner. Neben den Schweizer Klassikern gibt es aber auch ein paar amerikanische Musts wie French Toast – also das, was sich bei uns Fotzelschnitte nennt. Ihre Brunch- und Abendkarte ändern die beiden Gastgeber vier Mal pro Jahr und passen sich jeweils der Saison an. Gästelieblinge wie das Zürcher Geschnetzelte und das Raclette bleiben aber das ganze Jahr auf der Karte.

Wie entscheiden sie, was auf die jeweilige Saisonkarte kommt? «Ganz einfach: Es sind immer Gerichte, die wir am meisten vermissen», sagt David Fritsche, der Küchenchef des Restaurants. Heimweh war allerdings nicht der Grund, warum die beiden Ende 2015 entschieden, ihre Jobs im Hotel Dupont Circle in Washington zu kündigen und ein eigenes Restaurant zu eröffnen. «Vom eigenen Restaurant haben wir beide schon immer geträumt, noch bevor wir uns kennengelernt haben.»

Gemeinsam um die ganze Welt

Kennengelernt haben sich Silvan Krämer und David Fritsche 2002 in der Küche des Madinat Jumeirah in Dubai. «Wir hatten von Anfang an einen extrem guten Draht zueinander», erinnern sich die beiden. Darum hätten sie in Dubai auch ausserhalb der Küche viel Zeit miteinander verbracht. Und so ist aus dem Draht sehr schnell eine starke Verbindung geworden. Oder besser gesagt eine Seilschaft, welche die beiden seither mehr oder weniger immer als Päckli von Job zu Job reisen liess – im wahrsten Sinne des Wortes rund um die Welt: von Dubai über Irland und New York nach Washington DC. Moment! Da arbeiten zwei Menschen seit über 15 Jahren fast täglich über 10 Stunden in der Küche zusammen und verbringen dann auch noch freiwillig einen grossen Teil der Freizeit miteinander? Gehen sie sich nie auf den Wecker?

«Ständig», sagt Fritsche und lacht herzhaft. «Wir sind so verschieden wie Tag und Nacht.» Krämer ist der ruhende Pol, nimmt die Aufregungen des Restaurantgeschäfts völlig gelassen, und Fritsche ist der Impulsive, der schnell mal an der Decke klebt. Doch ihr so unterschiedliches Temperament ist laut den beiden der Grund, warum sie sich so gut verstehen – und das sehr oft mit wenigen Worten oder sogar ganz ohne. Viele Worte verloren haben die beiden eigentlich immer nur über ihren Traum vom eigenen Restaurant. Wie ist daraus denn eigentlich ein gemeinsames Lokal geworden?

schweizerkueche2

Warum Washington DC? Als sie im Dupont Hotel arbeiteten, gab es einen Punkt, so etwa im Jahr 2014, an dem Krämer und Fritsche irgendwie genug hatten vom Angestellt-Sein. Das führte dazu, dass sie immer mehr über ihre Visionen vom eigenen Restaurant zu reden begannen – und sich dann schnell dazu entschlossen, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Danach folgten viele Diskussionen darüber, in welche Richtung sie gehen wollten in Sachen Cuisine. American? New American? Die Berater, die sie anfänglich zuzogen, haben ihnen dann klargemacht, dass sie damit höchstwahrscheinlich wenig bis gar keinen Erfolg haben würden. Denn amerikanische Restaurants gibt es in den Staaten – und DC – wie Sand am Meer. Und so haben sie sich dann für das Naheliegende entschieden: Schweizer Küche. «Erstens sind beide Schweizer, zweitens hat die Schweiz einen guten Ruf in den Vereinigten Staaten und drittens gab es noch kein Schweizer Restaurant in DC.»

Warum eigentlich Washington DC – und nicht New York? «Washington ist eine super Stadt: Nicht zu gross, nahe bei der Natur, bietet aber trotzdem ein richtiges Stadtleben mit viel Kreativität, vor allem in der Gastronomie», sagt Fritsche. Auch wenn DC New York in Sachen kulinarischem Angebot noch hinterherhinkt, habe sich die Foodszene in den vergangenen acht Jahren extrem entwickelt. «Seit zwei Jahren boomt die Gastronomie richtiggehend, mit Farmers Markets überall in der Stadt, neuen hippen Coffee Shops, diversen Bars und mit innovativen Restaurants.» Washington DC habe es 2017 zur «US Restaurant City of the Year» geschafft – ein Titel, der bisher immer an Städte wie New York, San Francisco oder Chicago ging. «Zudem wohnten wir zur Zeit unseres Entschlusses schon seit über fünf Jahren in Washington, wussten, wie der Hase läuft, und hatten ein starkes Netzwerk aufgebaut – innerhalb und ausserhalb der Gastroszene», ergänzt Krämer. «Zu wissen, wo man zur besten Qualität von Rohprodukten kommt und wer schier Unmögliches herschaffen kann, ist extrem wichtig, wenn man ein Restaurant erfolgreich eröffnen und führen will. Hier und anderswo.»

Ende 2014 haben sie dann angefangen, sich nach einer passenden Location für ihr Schweizer Restaurant umzusehen. Im Sommer 2015 stiessen Krämer und Fritsche in Cleveland Park auf eine, die auf den ersten Blick perfekt war, und kündeten ihre Jobs im Dupont Circle. «Wir wussten, dass uns ein Fulltime-Job nicht genug Zeit und Freiraum gelassen hätte, um das Projekt Restaurant umzusetzen.»

Beim genaueren Hinsehen stellte sich heraus, dass die Location in Cleveland Park in einem zu schlechtem Zustand war und einen totalen Umbau nötig hatte. Dieser hätte aber das Budget der beiden überstiegen. Und so waren sie gezwungen, mit der Locationsuche für das Restaurant noch einmal von vorne zu beginnen. Um die Zeit sinnvoll zu nutzen, heuerte David Fritsche in einer Schweizer Bäckerei in Springfield an, um nachts richtig backen zu lernen. Tagsüber arbeitete er in einer Kochschule. Krämer suchte sich wieder einen Job als Food and Beverage Manager in einem Hotel.

Geschickte Gastronomen

Im April 2016 stiessen sie dann auf die Location an der 1324 H Street NE. Dort war früher ein peruanisches Restaurant gewesen, was es viel einfacher machte, den Um- und Ausbau in nützlicher Frist zu realisieren. Krämer und Fritsche hatten allerdings nach wie vor ein limitiertes Budget. Da die Kostenvoranschläge von Handwerkern und Beratern teilweise «astronomisch» waren, entschlossen sie sich, schon vor der Eröffnung alles selber zu machen – bis auf die Sanitärund Elektroinstallationen. Wie jetzt? Sie standen drei Monate lang jeden Tag im Restaurant und haben gesägt, gehämmert, geschweisst und gepinselt? «Naja, ein bisschen Hilfe hatten wir», gibt Fritsche zu. Sie hätten für zweieinhalb Wochen einen Freund aus Einsiedeln eingeflogen, der zuhause auf dem Bau arbeitet. Das habe ihnen die Sicherheit gegeben, dass sie bis Ende März alles fertigstellen konnten. «Mit den hiesigen Handwerkern und der Zuverlässigkeit ist das so eine Sache. Wenn einer sagt, er komme morgens um 9 Uhr, heisst das noch lange nicht, dass er auftaucht.» Das sei auch mit Servicepersonal dasselbe, was die Personalsuche zu einer grossen Herausforderung gemacht habe. Doch die grösste Hürde sei das ganze rechtliche Zeug gewesen – Mietverhandlungen, Bau- und Benutzungsbewilligungen, Alkohollizenzen, Inspektionen. «Um alles Nötige zu bekommen, muss man von Pontius zu Pilatus rennen, stundenlang Schlange stehen und starke Nerven haben», sagt Krämer. Allerdings sei die Lernkurve auch extrem steil gewesen. «Du merkst irgendwann, wie der Hase läuft. Beim nächsten Restaurant würden wir das Ganze vermutlich wesentlich schneller über die Bühne bringen.» Beim nächsten Restaurant?

schweizerkueche3Next Stop Switzerland?

«Wir überlegen uns schon manchmal, was wir als Nächstes machen.» Etwas anderes als zu kochen und zu wirten kommt für keinen der beiden in Frage. «Gastronom zu sein ist einfach das Allerschönste – Kreativität, Stress und am Ende glückliche Gäste, wir wollen nichts anderes. Egal, wo auf der Welt.» Die Frage sei, ob sie jemanden fänden, der ihr Restaurant als Geschäftsführer in ihrem Sinne weiterführt. Dann könnten sie sich der nächsten Herausforderung widmen – dem nächsten Restaurant. In der Schweiz? «Vielleicht», kommt es von beiden wie aus der Kanone geschossen. Das klingt, als hätten sie sich darüber schon ein paar Mal Gedanken gemacht. Silvan Krämer und David Fritsche schauen sich verschwörerisch an – und schweigen. Rein hypothetisch: Welche Art von Restaurant würden sie in der Schweiz denn eröffnen wollen? Die Antwort kommt schnell: «New American.»



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Ein Artikel von von Michaela Ruoss

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